Das Problem mit dem Prozess im Coaching

Coaching-Prozesse sind so individuell wie die Kunden, mit denen wir arbeiten.“ las ich jüngst auf einer website, die auch Ausbildungen zum Coach anbietet.
Wenn der Prozess ganz individuell ist, liegt die Vermutung nahe, dass ebenfalls das Ziel des Coachings ganz individuell ist.

Zunächst nichts Ungewöhnliches. Jeder Coachee formuliert für sich sein Ziel. Auch im systemisch-konstruktivistischen Coaching.

Nun ist ein Prozess in der Regel der Weg mit dem das Ziel erreicht wird.Welchen Weg hat ein Coaching aber bereits bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Ziel formuliert wird zurückgelegt? Eine Kontaktaufnahme fand statt, dann wird analysiert, reflektiert usw. bis dann ein möglichst „kongruentes“ Ziel dort steht. Tatsächlich gibt es also einen Coachingprozess, der immer gleich abläuft über dem Coachingprozess, der den Coachee zu seinem Ziel bringen soll. Soll letzterer Prozess ganz individuell sein, muss es eine Instanz geben, die weiß, dass die Entscheidung, den Prozess jetzt so zu gestalten richtig ist. Vermutlich ist diese Distanz im o.a. Zitat der Coach selbst: Er entscheidet über den bestmöglichen Weg, seinen Coachee zum Ziel zu führen. Doch halt. Erinnert das nicht stark an Training? Mit dem einzigen Unterschied, dass der Coachee hier das Lernziel selbst formuliert? Und wie gut muss dieser Coach sein, dass er für jedes Ziel und unterschiedlichste Kunden immer einen individuellen Weg findet. Er weiß ja, was seinem Coachee helfen wird.

Wie anders ist es da, wenn Coaching grundsätzlich das Ziel hat, z.B. als Coachee eine nachhaltige thematische Selbstorganisation bzw. Handlungskompetenz im Coachingthema zu erlangen. Dafür gibt es einen Coachingprozess. Das Besondere: Coaching fängt nicht mit dem Ziel an. Zu leicht kann es passieren, dass das Ziel als Lösung formuliert wird, die zum Scheitern verurteilt ist. Ein Coaching startet als Coachingthema. Der Coachee setzt sich mit all dem, was mit seinem Coachingthema zusammenhängt auseinander und formuliert als Ziel den Zustand, den er durch seine Veränderung erreicht haben wird. Im Coaching sammelt er dazu strukturiert Ressourcen ein und fügt sie zu  Handlungen zusammen. Ein solcher Ablauf ist ein Coachingprozess. Mit dem großen Vorteil, dass so Qualität überhaupt erst möglich wird. Ist ein Prozess „ganz individuell“, handelt es sich möglicherweise doch um Training.

 

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