Menschenbild von Coachs erinnert häufig an Dressur

Coaching ist bisweilen nichts anderes als Therapie von Gesunden. Gesunde müssen dann therapiert werden, wenn sie nicht im Sinne des Unternehmens funktionieren. Die Art, wie das erreicht werden soll erinnert stark an Dressur und verträgt sich so gar nicht mit dem Bild eines „selbstorganisierten“ Menschen.

Der promovierte Zoologe/Philosoph, „Hirnforscher“ und frischgebackene Coaching Experte, Professor Gerhard Roth unterscheidet gar nicht erst zwischen Coaching und Therapie. „Um Verhaltensänderungen zu erreichen, können sich Coachs der klassischen Verhaltenstherapie bedienen – insbesondere Methoden der operanten Konditionierung.“
(Ryba/Roth Trainingaktuell | November 2020)

Jeder Therapie geht eine Diagnostik voraus. So sind behandlungsbedürftige Problematiken wie zum Beispiel eine Depression, ein Burnout oder eine Angststörung einheitlich beschrieben.
Wie verhält es sich nun bei „Gesunden“? Wo sind dort die Problematiken beschrieben und in welchem Zusammenhang stehen sie zum weiteren Vorgehen? Was diagnostiziert ein therapierender Coach da?
Die Antworten mögen an dieser Stelle enttäuschend sein:

  1. Es sind oft die aus der Therapie bekannten Problematiken. Zu gern werden hier von Coachs Glaubenssätze, Angststörungen, Blockaden und ähnliches bei Gesunden diagnostiziert und „behandelt“. Was auch rechtlich fragwürdig ist. Es fehlt mind. ein Heilpraktikerschein.
  • Der Coach hat bestimmte Idealvorstellungen, wie denn Persönlichkeit, Zusammenarbeit, Führung, Kommunikation udgl. abzulaufen haben und stellt Abweichungen von seinem Bild fest.
  • Der Auftraggeber kennt die Probleme und nutzt den Coach als Führungskraftersatz bzw. als Instrument seines Willens. Der Coach führt die Probleme wieder auf a) oder b) zurück.
  • Eine Diagnose entfällt ganz. Der Coach erfragt lediglich Daten und Fakten und coacht den Kunden, um ein Ziel zu erreichen, doch ohne das Problem zu kennen.

Aus der „Diagnose“ entsteht die Art der Therapie bzw. in diesem Fall das Coaching. Jetzt werden „Methoden der operanten Konditionierung“ zum Einsatz gebracht. Erwünschtes Verhalten wird in der operanten Konditionierung z.B. belohnt. Spätestens an dieser Stelle sollte der Begriff „Dressur“ einleuchten.
Tipp: Bei der Konditionierung haben sich übrigens auch Tokensysteme mit Gummibärchen (Belohnung) gut bewährt.
Anm.: Ryba und Roth stehen hier in bester „behavioristischer“ Tradition. Verhalten soll vorhergesagt und kontrolliert werden können. NLP.

Doch nicht nur die Methodik von Roth ist auf Dressur ausgelegt. Auch die Beziehung zwischen Coach und Kunde findet Beachtung: „Hier spielt die Coachingbeziehung eine wichtige Rolle, da bei der Begegnung mit einem empathischen und vertrauenerweckenden Coach Oxytocin ausgeschüttet wird, wodurch Ängste gedämpft werden. Außerdem werden über eine Ausschüttung endogener Opioide und einen Anstieg des Serotoninspiegels Wohlbefinden und generelle Beruhigung gefördert.“ (Ryba/Roth, Trainingaktuell | November 2020)


Anm.: Im Gehirn bewirkt Oxytocin u.a. die sexuelle Erregung, das Bindungsverhalten und die mütterliche Fürsorge für das Neugeborene nach der Geburt.
Anm.: Empathie bedeutet immer ein „Mit-Leiden“. Eine „unbefangene“ Diagnose ist so meist nicht möglich.

Für die Dressur muss sich ein Coach demnach bei seinem Kunden „einschleimen“ (er bekommt dafür Geld), um dessen Wohlbefinden und generelle Beruhigung zu fördern. Im Therapie-Coaching passiert also etwas, was dem Kunden ohne Oxytocin wohl nicht gefallen würde.
Im therapeutischen Coaching ist diese starke Bindung notwendig, damit der Kunde seinem Coach bereitwillig folgt, obgleich er als gesunder Mensch therapiert oder umprogrammiert wird.

Wie bei der Menschenführung ist auch im Coaching das Menschenbild von entscheidender Bedeutung, da es grundsätzlich den Umgang mit Menschen beeinflusst.

Ein „Coaching“ genannter Dressur Akt zeugt von einem Menschenbild, das Menschen weder zutraut sich selbst zu diagnostizieren, nachzudenken und zu lernen, sondern die Person des Coachs als richtungsweisende Instanz etabliert.

Quick Check:
Welches Menschenbild haben Sie als Coach und woran ist das in Ihrem Verhalten zu erkennen?

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