Das MVWK-Modell
(Motiv-Verhalten-Wert-Kontext)

Das MVWK ist eines der Basis Modelle der Neuen Hamburger Schule und unterstützt die Phase III des Coachingprozesses.

Basismodell

Web_MVWKDas Modell beschreibt, dass Motive, Verhalten, Werte und Kontext zusammenhängen. Verhalten bezieht sich immer auf ein Verhalten in einem Kontext.
In einem Kontext wird Verhalten durch die wahrgenommenen Werte des Kontexts und durch Motive beeinflusst, d.h. ein Verhalten ist für Motive, die mit dem relevanten Kontext in Zusammenhang stehen, emotional attraktiv / angenehm.

Durch die emotionale Ansprache eines Motivs entsteht Bewegung / Motivation (lat.: movere=bewegen).

Das Verhalten bzw. die Art des Verhaltens orientiert sich dabei an den Werten, die ein Individuum für sich in diesem Kontext als emotional attraktiv empfindet.
Gleichermaßen beeinflussen die in einem Kontext vorhandenen Werte die Attraktivität des Kontextes für das Individuum.

Motivation entsteht nur, wenn ein Kontext für ein Individuum über ein Maß an emotionaler Attraktivität verfügt, das subjektiv sicherstellt, dass sich die Motive „entfalten“ können.

Motivation entsteht durch die Bewegung hin zu emotional attraktiven Kontexten und durch den Aufenthalt in ebensolchen Kontexten.

Für die praktische Arbeit mit dem MVWK Modell wurden verschiedenen Anwendungserklärungen entwickelt, die helfen sollen, bestimmte Phänomene zu verstehen:

MVWK Modell – 1

Web_MVWK-1Diese Grafik veranschaulicht, dass jedes Individuum eine (subjektive) Wahrnehmung eines Kontextes hat. Verhalten orientiert sich hierbei im Idealfall an gemeinsamen Werten. Werte, die sich diametral entgegenstehen führen zu Wertekonflikten.

In der Grafik selber sind „Lösungsansätze“ bereits verankert. So kann das MVWK-Modell im Themenbereich „Konflikte“, „Fusion“, „interkulturelle Konflikte“ uvm. angewandt werden.

MVWK Modell – 2

Web_MVWK-2Ein Individuum orientiert sich in seinem Verhalten an Werten.

Die Wahrnehmung jedes einzelnen Kontextes ist konstruktivistisch.

Ein Kontext ist immer ein thematischer Kontext.

In der Regel überschneiden sich thematische Kontexte. Grundsätzliches Verhalten orientiert sich dabei an den für das Individuum, die Gruppe oder das Team in allen wahrgenommenen Kontexten geltenden gemeinsamen Werten.

Die „Schnittmenge“ der Werte bildet abstrakt die „Leitwerte“.

MVWK Modell – 3

Web_MVWK-3Der „Werte-Halo“ ist ein Sonderfall eines Leitwertes.

Ein einzelner Wert überstrahlt alle anderen Werte, so dass sich Verhalten (einseitig) an diesem Wert orientieren kann. Oder andere Werte nicht „gesehen“ werden.

MVWK Modell – 4

Web_MVWK-4Die Anwendungserklärung 4 veranschaulicht den Zusammenhang zwischen der „Wert-Attraktivität“ eines Kontextes und der „Entfaltung“ der Motive.

MVWK Modell – 5

Web_MVWK-5

Individuell attraktives Verhalten orientiert sich in einem Kontext an Werten. Der Kontext selbst entsteht durch die konstruktivistische Wahrnehmung und Bewertung von Zusammenhängen in Bezug auf ein Thema.

Was in einem Kontext individuell als Wert empfunden wird, an dem sich eine Entscheidung für ein Verhalten orientiert, ist das konstruktivistische Resultat einer psycho-biologischen Bewertung der mit diesem Kontext verbundenen induktiven und deduktiven Werte. Jede individuelle Entscheidung in einem Kontext wird durch Werte beeinflusst.

Deduktiv-kontextuelle Werte sind die Werte, die reflektiert aus dem Kontext abgeleitet werden. Bsp.: Um einen Kommunikationskontext zu vereinbaren, orientiert sich Verhalten auch an Werten des Kommunikationspartners. Auch die Folgen einer Entscheidung müssen „wertvoll“ sein. Diese Werte werden konstruktivistisch „abgeleitet“. Gleiches gilt z.B. für Verhalten im Straßenverkehr—hier werden u.a. die Werte aus der StVO abgeleitet, die faktischer Teil des Kontexts ist.

Induktiv-personale Werte sind die Werte, aus denen heraus eine konstruktivistische Bewertung erfolgt bzw. geschlossen wird. Sie korrespondieren mit Motiven, und Bedürfnissen bzw. eigenen Interessen vor dem Hintergrund psycho-biologischer Erfahrungen und Hoffnungen.

Eine Entscheidung für ein Verhalten mag aus Sicht anderer unattraktiv sein — ein Individuum hat sie jedoch aus seinem Vermögen heraus selbst so organisiert, dass durch sie ein psycho-biologisches Wohlbefinden angestrebt bzw. sichergestellt wird. Diese Entscheidung wurde in einem Kontext durch Werte beeinflusst.

Die Anwendungserklärung 5 zum MVWK Modell stellt eine Konstruktion dar, mit der das eigene Entscheidungsverhalten in einem Kontext reflektiert werden kann. Zur Reflektion dienen verschiedene Wertkategorien, die sich aus wissenschaftlichen Erkenntnissen ableiten lassen.

Wird eine Entscheidung individuell als misserfolgreich im Hinblick auf das erhoffte Ergebnis bzw. das psychobiologische Empfinden bewertet, so können durch Reflektion jeder einzelnen Wertkategorie die beeinflussenden Wertkategorien identifiziert und hierarchisiert werden. Im Coaching geschieht dies idealerweise innerhalb der Reflektion des bisherigen Analyse-und Lösungsmusters (Phase III.4 des Coachingprozesses).

Ausgehend vom Ziel einer selbst gewollten Veränderung kann die Anwendungserklärung 5 als strukturelle Ressource (Phase III.6 des Coachingprozesses) dienen. Die Wertekategorien dienen dabei als Feedbacksystematik an der sich die Entwicklung von Verhaltensalternativen orientieren kann.

Das Modell kann sowohl im Coaching als auch aufbereitet als Test zur Identifikation der Wertebeeinflussung von Entscheidungen genutzt werden.

Die Wertekategorien in der Übersicht
Induktiv-personale Werte im Kontext

Geschützte Werte

Werte, die individuell als so bedeutend empfunden werden, dass sie nicht bzw. un-verhandelbar sind.

Bsp.: Manche Personen empfinden die Unversehrtheit der Natur bzw. die Unversehrtheit der darin wohnenden Lebewesen und Pflanzen als so wertvoll, dass sie niemals durch Gentechnik beeinflusstes Gemüse essen würden. Auch nicht, wenn es nichts anderes zu Essen gibt.

Somatische Werte

Die Signale des eigenen Körpers werden als Wert empfunden.

Bsp.: Der eigene Körper signalisiert schneller als der Verstand, dass emotional ein Ungleichgewicht vorliegt. Ob „feuchte Hände“ oder „trockener Hals“ oder Nackenverspannung“ – die Signale sind individuell ganz unterschiedlich. Die Medizin kennt dieses Phänomen unter dem Begriff „psycho-somatische“ Beschwerden. (Soma=Körper)

Leit-Werte

Werte, die die eigenen Prinzipien bzw. Einstellungen oder Überzeugungen abbilden und in allen Kontexten gelten.

Bsp.: Manche Personen orientieren sich, unabhängig vom individuell relevanten Kontext, grundsätzlich an „Gleichbehandlung“.

Thematische, motivationsrelevante Werte

Konkrete Themen, die für eine Verwirklichung von Motiven und/oder konkreten Bedürfnissen wichtig sind, werden als wertvoll empfunden.

Bsp.: Das Thema „Führung“ wird als „wertvoll“ empfunden. In Besprechungen wird die Diskussion auf dieses Thema gelenkt oder bei Erwähnung dieses Themas durch andere richtet sich darauf die volle Aufmerksamkeit.

Personenzentrierte, motivationsrelevante Werte

Die positive Rückmeldung konkreter anderer Personen wird als Wert empfunden.

Bsp.: Die positive Bestätigung einer Entscheidung durch Eltern, Mentor, Ehemann, Partner oder besonderer Freund.

Motivzentrierte Werte

Die unbestimmte Realisierung eines konkreten Motivs (Antrieb/Strebung) wird als wertvoll empfunden.

Bsp.: Der unreflektierte Wunsch Anerkennung durch andere zu erhalten oder die Lust zu gestalten oder sich zu vergleichen.

Belohnungsorientierte, altruistische Werte

Werte, die uneigennützig sind und das „allgemeine Wohlergehen“ betonen, gleichzeitig aber das Belohnungssystem des Gehirns aktivieren.

Bsp.: Der Schutz der Umwelt ist von allgemeinem Interesse. Wird jemand bei Verletzung dieses Wertes beobachtetet, so bedeutet das Einklagen dieses Wertes einen emotionalen Gewinn.

Sensorische Werte

Werte, die kognitiv nicht reflektiert werten können und auf einer körperlich empfundenen Wahrnehmung beruhen.

Bsp.: Unser Organismus nimmt kontinuierlich Signale aus der Umwelt war. Durch Sehen, Hören, Anfassen, Riechen, Schmecken, Geruch oder Wahrnehmung über die Haut. Wir „spüren“ bisweilen, dass jemand hinter uns steht, ohne ihn dabei bewusst wahrgenommen zu haben und verhalten uns entsprechend.

Deduktiv-kontextuelle Werte

Situative sozio-kommunikative Werte

Werte, an denen sich die Beziehung zu aktuellen Kommunikationspartnern orientiert.

Bsp.: Höflichkeit, Respekt, Seniorität, „Ausreden lassen“

Berufs-ethische Werte

Werte, die im Zusammenhang mit dem selbstgewähltem Beruf sozial und individuell wichtig sind.

Bsp.: Hippokratischer Eid. Wertzuschreibungen an die berufliche Funktion, z.B. Feuerwehrmann „rettet“, Vorgesetzter als Vorbild

Unternehmerische Werte

Werte, die die betriebswirtschaftlichen Interessen des Unternehmens bzw. anderer wertschöpfungsorientierter Gemeinschaften repräsentieren.

Bsp.: Produktivität, Liquidität, Wirtschaftlichkeit, Effektivität, Effizienz, Kostenbewußtsein oder auch Image

Werte der relevanten Identitätsgemeinschaft

Werte, die eine identitätsstiftende Zugehörigkeit repräsentieren.

Bsp.: Zugehörigkeit zu Familie, Partnerschaft, Glaubensgemeinschaft, Verein, Unternehmen, Abteilung

Kulturelle Werte

Werte, die den kulturellen Kontext repräsentieren und über einen längeren Zeitraum stabil sind.

Bsp.: Die Sprache innerhalb eines Staates oder die Mundart einer bestimmten Region. Die Art und Weise Häuser zu bauen.

Zeitgeistorientierte Werte

Werte, die den kulturellen Kontext repräsentieren und zeitlich unstabil sind.

Bsp.: Mode. Oder die Verwendung englischer Wörter in einer von Deutschen geführten Unterhaltung. Ein bestimmtes Produkt, wie z.B. das Apple I Phone, wird als richtungsweisend empfunden.

Individuell unverhandelbare soziale Werte

Werte die das Zusammenleben innerhalb einer abgrenzbaren Gemeinschaft regeln.

Bsp.: Verfassung, GG, StVO, Din, Betriebsvereinbarungen, Verträge