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Naht das Ende der direktiven Führung?

In Zeiten von Digitalisierung, Agilität und disruptiver-transformationaler-holokratischer Führung entsteht leicht der Eindruck, alles andere ist das Ende jedes Unternehmens. Doch damit geht ein großer Irrtum einher.

Stellen Sie sich einmal vor, es ist Montag, später Vormittag. Sie sind auf dem Weg zu Arbeit und wissen, gleich steht ein vierstündiges Meeting an. Gemeinsam mit anderen aus Ihrer Work-Cloud, entscheiden Sie über die digitale Reorganisation. Anschließend geht es in der montäglichen workgroup um Ideen zur Gewinnoptimierung. Auf diese Weise geht die Woche weiter.

Eine attraktive Vorstellung? Oder gefällt Ihnen diese hier ein wenig besser?

Es ist Montag. Ihr Chef  hat Sie freundlich begrüßt und Ihnen anschließend mitgeteilt, was er in dieser Woche von Ihnen erwartet und warum das wichtig ist. Gleichzeitig hat er die jeweiligen Fortschritte überprüft.

Zum Schütteln oder ist diese Vorstellung gar angenehmer als die erste Vorstellung?

Nicht für jeden Menschen sind die aktuell empfohlenen Arbeitsformen ideal.
Ein Blick, was emotional im Change passieren kann, lohnt sich in jedem Fall:

  • Eher introvertierte Menschen werden oft zur Extroversion und zum beziehungsorientierten Arbeiten gezwungen.
  • Von Menschen, die gerne einfach mal Vorgaben (die gute alte direktive Führung) umsetzen oder Dinge abarbeiten, wird erwartet, sich diese Vorgaben jetzt selbst zu setzen.
  • Von Menschen, die sich gerne an festen (Entscheidungs-) Strukturen orientieren, wird erwartet, selbst ein Unternehmer zu sein.

Menschen, die sich in den „modernen“ Arbeitsformen nicht wohl fühlen, fallen in der Regel in Ihrer Leistung ab oder verlassen das Unternehmen. Andere rücken nach.

Direktive Führung ist ein full-time-job. Jede Entscheidung als Führungskraft muss selbst bewertet und verantwortet werden. (da wäre das doch schön, wenn die Mitarbeiter einem das abnehmen) Auch direktive Führung will Ergebnisse erreichen. Nur ist der Grad der Mitbestimmung ein anderer.
Einen „klassischen Vorgesetzter“, der Ergebnisse erreichen will, hindert niemand daran, ebenfalls „wertschätzend“ mit seinen Mitarbeitern umzugehen, sie zu fördern und zu entwickeln, uvm.
Ironischerweise geht gerade mit einer direktiven Führung eine höhere Wahrscheinlichkeit einher, dass Menschen emotional individuell richtig geführt werden.

Doch leider können wohl viel zu wenige Menschen sagen „Ich habe einen tollen Chef. Ich vertraue ihm. Mit ihm fühle ich mich wohl“. (An dieser Stelle ist es vielleicht ganz gut, die „männliche“ Form gewählt zu haben.) Und leider trifft das auch auf das normative Management zu.

Neue Arbeitsformen werden meist aus zwei Gründen eingeführt:

  1. In der Hoffnung mittels „Agilität“ die Produktivität und Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. (An Kostenreduzierung und Gewinnmaximierung hat sich nichts geändert)
  2. Um Arbeitskräfte anzuziehen oder zu binden, die diese Arbeitsformen attraktiv finden.

 
Grund Nummer 1 ist problemlos mit direkter Führung zu erreichen.

Auch Grund Nummer 2 könnte durch direktive Führung abgebildet werden. Es ist nur eine Frage der Erhöhung der Entscheidungsfreiheit.

Für beide Gründe braucht es einfach nur gute Führungskräfte, die führen dürfen und auch Spaß daran haben. Transformationale oder disruptive Führung kann übrigens sehr direktiv sein.

Das eigentliche Problem, das meiner Meinung nach den Schrei nach anderen Arbeitsformen und Agilität auslöst, ist fehlende Führung.

Silo-Denken. Ein „Klassiker“ aus der Praxis

Bereich A redet nicht mit Bereich B und mit dem Kunden redet sowieso keiner.

Statt nach neuen Arbeitsformen zu rufen, könnte hier einmal überlegt werden, ob nicht bereits bei der Auswahl (im AC!) darauf geachtet wird, dass eine Führungskraft systemisch denkt und kommuniziert. Im „Feedbackgespräch“ wäre es ein Leichtes, die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen oder das „Denken vom Kunden her“ zu bewerten.
Bisweilen sind es einfach fehlende oder ungenügende Prozesse, die Agilität verhindern. Auch dafür sind „Führungskräfte“ verantwortlich.

Es ist auffällig, dass immer dann, wenn es im Change nicht klappt, nach direktiver Führung gerufen wird. Und die muss dann nicht mal gut sein. So wird direktive Führung vermutlich noch sehr lange bestehen.